„Ich möchte auch mal auf den Brocken“, ließ ich meinen Vater in diesem Jahr wissen und versuchte ihn im Oktober mit einem Gutschein zu seinem 81. Geburtstag zu ködern. Kein Problem freute sich mein Vater über das Angebot, obwohl er schon zigmal und in verschiedensten Routen den Brocken bestiegen hatte und es wurde gleich geplant. Für mich als Erstbegeher kam natürlich nur der Heinrich Heine Weg in Frage, laut Reiseführer der schönste Weg auf den mit 1141m höchsten Berg Norddeutschlands. Der geplante Corona Lockdown im November ließ uns die Wanderung ungewollt schneller beschließen als gedacht und nach einem Blick in die Wetterkarte und einer schnellen Hotel-Reservierung in Bad Harzburg fuhren wir mit dem Auto am Samstag um 6Uhr morgens gutgelaunt Richtung Harz. 4h später erreichten wir in Ilsenburg den sich bereits schnell füllenden Wanderparkplatz. Wir waren anscheinend nicht die Einzigen, welche das letzte „freie“ Wochenende zu einer Wanderung nutzen wollten. Kein Problem, wir schnürten unsere Schuhe und den Rucksack und dann ging es los auf den Spuren des Dichters Heinrich Heines, der 1824 diesen Weg auf den Brocken bei seiner Harzreise bewanderte.
Gemütlich und stetig bergan schlängelt der Weg sich entlang der Ilse durch das Ilstal in einem urwüchsigen Buchenwald, der sich mittlerweile herbstlich bunt zeigte.
An den unteren Ilsefällen, ca. 3,5km und 170hm weiter, legten wir eine kleine Rast für das zweite Frühstück ein. Für Ende Oktober bei 13Grad fühlten wir uns wunderbar, zumal der Himmel immer wieder aufbrach und sich die Sonne zeigte.
Gar nicht so beschwerlich der Weg, dachte ich mir immer wieder. Mein Vater und ich plauderten den ganzen Weg lang und genossen die Landschaft. An den oberen Ilsefällen auf ca. 530hm lichtete sich der Wald und wir verschnauften kurz an der Bremer Hütte und tranken etwas.
„Nun“, sagte mein Vater,“ wird es anstrengend……“. Irgendwann mussten die knapp 1000hm ja bewältigt werden. Der eigentliche beschwerliche Anstieg lag nun auf den letzten 6km vor uns.
In einem Wiederaufforstungsgebiet verlief der Weg nun vorbei an der Stempelbuche auf einem breiten Wanderweg (Hermannsweg) bis zu der Hermannsklippe mit knapp 750hm.
Einige Meter weiter ließ mein Vater verlauten: „Gleich gibt es eine scharfe Linkskurve und dann kommt das schlimmste Stück“. Wir hatten mittlerweile über 7km und gut 500hm geschafft. An einer schönen Bank schaute mein Vater mit besorgtem Blick auf die Uhr und entließ mich aufgrund des verkürzten Tageslichtes auf meinen letzten harten Anstieg von fast 400hm. Ich verstand seine Bedenken, schnappte mir mein Wasser und verabschiedete mich. Durchschnittlich 15% Steigung hieß es in der Literatur, kann der Hirtenstieg bis auf den Brocken aufweisen. Um meinen Vater nicht länger als nötig warten lassen zu müssen, steigerte ich mein Tempo, was nicht ganz so leicht war. An den Bismarckklippen auf 900hm hielt ich kurz inne, um den schönen Blick auf den Eckerstausee zu geniessen.
Noch immer 250hm dachte ich und stapfte weiter, vorbei an einem 1000hm Schild bis auf den Kleinen Brocken.
Mittlerweile verschwand die Sonne hinter dichten Wolken. Es wurde nebelig und die Kleidung und meine Haare feucht. Meine Jacke war im Rucksack bei meinem Vater zurückgeblieben. Super, es blieb also nix anderes übrig, als in Bewegung zu bleiben und so wenig wie möglich Rast zu machen. Was sagte mein Vater? Nach dem Kleinen Brocken noch die Schienen der Brockenbahn überqueren und dann noch ein Stückchen….
Der Zug hörte sich bereits ganz nah an. Immer weiter auf dem Betonwabenweg laufend stand ich schließlich oben an einer Kreuzung und schaute durch dichten Nebel auf die Sendeanlage.
GESCHAFFT! Eine kleine Runde auf dem Brockenrundweg und noch 2 Beweisfotos, dann schnell zurück zu warmen Tee und Regenjacke.. Im leichten Dauerlauf mit schweren Bergschuhen bewegte ich mich konzentriert abwärts. Mein Vater war mir inzwischen langsam bis zur Bismarckklippe entgegen gegangen. Ein Schnappschuss weiter nahm ich meinen Rucksack wieder auf und wir machten uns zufrieden auf den langen Rückweg.
Um 16 Uhr nach 6h erreichten wir schließlich wieder unser Auto und freuten uns auf ein leckeres Abendessen mit Bier und Wein in unserem Hotel. 22km standen auf meiner Uhr. Nicht schlecht, meinten auch meine brennenden Waden.
Das war nicht mein letzter Aufstieg auf den Brocken….mein Mann war auch noch nicht hier :-).